Barbara Wolter: Das Bafög. wird 50

Warum wurde es eingeführt – und wer sind die Nutznießer?

Zum Wintersemester 1971 wurde das Honnefer Modell vom Bafög, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz abgelöst. Der Prozeß begann 1969, als Willy Brandt seine Visionen für die Ziele der neuen Bundesregierung vorstellte. Neben dem Slogan:“Mehr Demokratie wagen“ forderte er einen „Gesamtbildungsplan“, um an Schulen, Universitäten und in Ausbildungsbetrieben die Durchsetzung der sozialen Demokratie zu ermöglichen.
Ich gehörte zu dem Kreis der Student*innen, die zunächst durch das Honnefer Modell und danach durch Bafög gefördert wurde. Meine Eltern haben ihren vier Kindern das Abitur ermöglicht und alle durften wir studieren, ohne die staatliche Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen. Meine Eltern haben schon während unserer Gymnasialzeit auf viel familiäres Zusatzeinkommen verzichtet, denn wir brachten kein Geld aus der Lehre oder dem Beruf nach Hause, nein, wir kosteten. Das fing bei den Schulbüchern an, ging über die Fahrtkosten zum Schulort weiter und ein zeitlichen Zusammentreffen von Klassenfahrten überforderte das Budget meiner Eltern endgültig. Ohne die finanziellen Beihilfen zum Studium hätten meine Geschwister und ich niemals gleichzeitig studieren können. Für mich war klar, Bafög gab es nicht „umsonst“. Konnte man das Studium in der Regelstudienzeit beenden, musst man maximal 1.500 DM zurückzahlen. Aber erst, wenn man einen Arbeitsplatz gefunden hatte wurden die 50.00 DM pro Monat fällig.
Ich bin sehr froh, dass diese staatliche Hilfe in unserer Familie allen Kindern zu einem Studienabschluss verholfen hat.
Das ist heute leider anders: Das Bafög ist zur Hälfte als Darlehn finanziert, das hat die Regierung Kohl veranlasst, die Zahl der Bafögbezieher sank dramatisch. Vor allen Dingen potentielle Studierende aus einkommensschwächeren Familien schreckte der „Schuldenberg“, den Jugendliche durch das Studium anhäufen, ab. Die rot/grüne Regierung veränderte die Bedingungen, die Einkommensgrenzen der Eltern wurden angehoben, die Rückzahlung auf 10.000.00 Euro begrenzt und die Zahlen der Bafögempfänger stiegen. Unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel sanken die Zahlen deutlich.

Nach 50 Jahren müsste das Bafög grundsätzlich verändert werden.
1. Eine Förderung unabhängig vom Einkommen der Eltern ist nötig, denn viele Familien liegen genau an der „Bemessungsgrenze“, das heißt, die Student*innen erhalten kein Geld, die Familie kann das Studium nur schwer finanzieren und junge Erwachsene bleiben vom „Goodwill“ der Eltern abhängig.
2. Eine Förderung muss auf die jeweilige Studiensituation zugeschnitten sein. Heute studieren viele, die Nebenjobs haben, die erst eine Ausbildung machen, um dann in Teilzeit zu arbeiten und zu studieren, einige haben in ihrer Familie pflegerische Aufgaben zu übernehmen, Großeltern, Eltern oder Kinder, all das wird nicht berücksichtigt. Die Richtlinien gehen von dem Modell: Abitur, Vollzeitstudium in der Regelstudienzeit, Berufseinstieg aus.
3. Es muss ein Teilzeitstudium gefördert werden können, die starre Regelstudienzeit gilt es aufzuheben und allen Menschen, die es wirklich wollen, sollte ein Studium ohne extreme soziale Härte möglich sein. Übrigens: Studierende sind besonders betroffen von den explodierenden Mieten, es ist leider nicht ungewöhnlich, dass Student*innen 500 – 600 Euro nur für ihre „Bude“ ausgeben müssen und es gibt zu wenig Plätze in Student*innenheimen oder öffentlich geförderten Wohnungsbau auf dem freien Markt.

Hier haben wir viel zu tun, denn immerhin studieren heute fast die Hälfte der Jugendlichen eines Geburtenjahrgangs. Ich bin sicher, die Studiendauer kann verkürzt und die Qualität der Kenntnisse der Absolvent*innen verbessert werden, wenn diese sich ganz auf ihr Studium konzentrieren können.