Eine ungewöhnliche Frau, die an den Nutzen ihrer wissenschaftliche Forschung glaubt
Ihr Leben verlief nie geradlinig, immer wieder musste sie Entscheidungen treffen, die einen radikalen Wandel erforderten – aber sie hat es immer getan und nie bereut.
Sie stammt aus einem kleinen Ort in Ungarn in einem Lehmhaus mit einem Zimmer, in dem sich das Leben der 4 köpfigen Familie sich abspielte. Ohne fließendes Wasser, ohne Kühlschrank aber mitten in der Natur.
Ihr Vater, ein Metzger, war nur sechs ihre Mutter 8 Jahre zur Schule gegangen. Die Eltern agierten, als hätten sie die sozialdemokratische Idee vom „Aufstieg durch Bildung“ umgesetzt. Beide Mädchen der Familie gingen zum Gymnasium. Für ein Mädchen, das 1955 geboren wurde, ein besonderer Glücksfall, denn es herrschte die weit verbreitete Ansicht, eine höhere Schulbildung lohne sich für Mädchen nicht. Biologie faszinierte sie, mit 14 nahm sie an einem landesweiten Biologiewettbewerb teil und wurde 3.
Sie studierte Biologie, sie promoviert und begeistert sich für RNA, Ribonukleinsäure, einem wichtigen Botenstoff im Körper. Der Stoff war schon bekannt, aber man konnte ihn noch nicht herstellen. Das war ihr Ziel, mRNA herzustellen. Von dieser Idee konnte sie niemand abbringen. Mitte der 80ger Jahre steckt sie in der ersten beruflichen Krise: die Firma, die ihr das Labor zur Verfügung gestellt hat und sie bezahlt, beendet den Vertrag. Kariko schreibt Bewerbungen in alle Welt, denn Forscher dürfen in Ungarn auch im Ausland arbeiten. Sie bekommt ein Angebot aus Philadelphia und mit Mann und kleiner Tochter und einem Startkapital von 1000 Dollar, das in einen Teddy eingenäht ist, weil Ungarn keine Devisen ausführen dürfen, kommen sie in den USA an. Sie reüssiert an der Uni, wechselt zur Eliteuniversität of Pensylvania und 10 Jahre gelingt ihr ein beruflicher Aufstieg und Anerkennung ihrer Forschung. Doch bald änderte sich der Mainstream in der Forschung: Nicht mehr mRNA sondern der DNA galt das Forschungsinteresse, sie wurde beruflich degradiert, sie darf nicht mehr lehren. Kariko bleibt dennoch an der Uni, wirbt eigene Forschungsmittel ein und lernt in den Jahren immer mehr Forscher:innen anderer Fachrichtungen kennen, die ihre Begeisterung für mRNA teilen.
1997 fügt es sich, dass ein neuer Kollege , der Immunologe Drew Weissmann, sein Labor auf demselben Flur bekommt. Er möchte einen Impfstoff gegen HIV entwickeln, sie kann mRNA herstellen. Die beiden sind ein begnadetes Forscherteam, aber Karikos Position an der Universität wird immer schwieriger, ihr Forscherdrang immer mächtiger. Sie war fest davon überzeugt, mit Hilfe von mRNA der Medizin neue Möglichkeiten zu öffnen – und nachdem es ihr in unzähligen Experimenten gelang, eine Abwehrreaktion des Immunsystems zu unterbinden, waren die Weichen gestellt. 2006 wird das Verfahren von Kariko und Weismann patentiert. Die Einnahmen aus dem Patent flossen aber in den Etat der Universität. Das Forscherteam gründete eine eigene Firma, um die Erkenntnisse therapeutisch nutzbar zu machen. Die Universität verkaufte die Lizenz an andere, die sie wiederum an BioNTech und Moderna veräußerten. 2013 wird Kariko aufgefordert, ihr Labor zu räumen. Sie zieht für 2 Jahre in das Labor von Weissmann um dann, mit 58 Jahren, in Rente zu gehen. Sie sucht in der Wirtschaft die Möglichkeit, weiter zu forschen und arbeitet heute bei BioNTech und ist die zweite Frau, deren bahnbrechende Entdeckungen die Entwicklung des Coronaimpfstoffs in so kurzer Zeit möglich machte.
Merke: aus einer Familie ohne akademischen Hintergrund, als Frau in der Forschung und nicht im „Mainstream unterwegs brauchst du eine hohe Frustrationstoleranz, den unbedingten Glauben an die Möglichkeiten deiner Forschung und Menschen, die ähnlich „ticken“ wie du. Und die Sache muss dir wichtiger sein als die Karriere, finanzieller Erfolg , öffentliche Anerkennung oder Titel.
In solchen Fällen musst du weiblich sein…