Ich habe mit großem Interesse das Buch von „Jeremias Thiel: Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance“ gelesen, das im Piper Verlag erschienen ist.
Sein Schicksal kann stellvertretend für ganz viele Kinder gelten, die in sozial benachteiligten Familien aufwachsen. Hier ein paar Fakten zu Jeremias. Jeremias Eltern leben in getrennten Wohnungen, der Vater schwer depressiv, die Mutter litt wohl, wie auch sein Bruder, unter ADHS und war zudem spielsüchtig. Für die Kinder gab es keinen strukturierten Alltag, Jeremias war nicht nur dafür verantwortlich, zur Schule zu gehen, seine Hausaufgaben zu erledigen, sondern er musste praktisch alle Aufgaben der Eltern mit übernehmen. Im Alter von 11 Jahren entschied er für sich, nicht länger in der Familie bleiben zu wollen.
Die von Jeremias beschriebene Situation kenne ich aus meiner Arbeit als Beratungslehrerin sehr gut und auch die absolute Überforderung der Kinder oder Jugendlichen ist in diesen Fällen überdeutlich. Beeindruckt hat mich in der Geschichte die Tatsache, dass dieser Junge ohne weitere Hilfen den Weg zum Jugendamt und aus seiner Familie gefunden hat. Das war in den meisten Fällen, die ich betreut habe, ein sehr langer und emotional sehr belastender Prozeß.
In seinem Buch wird allerdings auch deutlich, dass diese Kindheit Spuren hinterlassen hat und ein Urvertrauen im eigentlichen Sinne erst erlernt werden muss.
Er beschreibt auch, wie sehr er von den vielen unterschiedlichen Personen profitiert habe, denen er im Laufe der Zeit begegnet sei, sein Horizont hat sich enorm geweitet so dass ein großes Vertrauen in seine Fähigkeiten gewachsen sei.
2019 machte Jeremias in Freiburg Abitur und studiert heute am St. Olaf College (USA) Umwelt und Politikwissenschaft.
Sein zentrales Anliegen ist die Schaffung von mehr sozialer Gerechtigkeit, dafür will er sich nach Abschluss seines Studiums in der BRD einsetzen. Sein Traum: Als Abgeordneter der SPD im Bundestag für dieses Ziel zu kämpfen.
Lieber Jeremias: Wer einen solch schweren Weg gemeistert hat, der schafft sicher auch Verbesserungen im deutschen Sozialsystem.