Rede auf der Anti-AfD-Demo vor dem „Wunderland“ Kalkar am Samstag, 5. Oktober 2019

Bodo Wißen, stellv. Vorsitzender SPD Kreis Kleve

Rede auf der Anti-AfD-Demo vor dem „Wunderland“ Kalkar am Samstag, 5. Oktober 2019

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

ein herzliches Dankeschön an die Organisatorinnen und Organisatoren. Herzlichen Dank und Gruß auch im Namen unserer Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und unseres SPD-Kreisvorsitzenden Norbert Killewald.

Es ist gut und wichtig, dass die Parteien und die vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen, die diese Demo tragen, gemeinsam für eine demokratische, vielfältige und menschliche Gesellschaft kämpfen. Leider ist das auch bitter nötig!

Am 7. Oktober 1944 wurde Emmerich bombardiert. Daran wird in diesen Tagen wieder erinnert. Wenig später wurde meine Heimatstadt Rees nahezu völlig ausgelöscht. Und so geschah es anderswo – zigtausendfach. Wichtig ist die Reihenfolge: Zuerst waren es deutsche Bomber, die Warschau, Coventry, Rotterdam und so viele andere Städte auf der Welt in Brand setzten. Nun kamen amerikanische und englische Bomber nach Deutschland, ins Land der Verursacher des Zweiten Weltkrieges, um ihre todbringende Fracht abzuladen.

Mindestens 65 Millionen Menschen sind in diesem sinnlosen Gemetzel gestorben. Kinder, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten. Wie Anne Frank, eine von sechs Millionen Juden, die im Rassenwahn ermordet wurden, Frauen, wie Sophie Scholl, die mit Flugblättern Adolf Nazi bekämpfte, Hitlerjungen, die noch in den letzten Kriegstagen an die Front geschickt wurden. Leben, die nicht mehr gelebt wurden – ausgelöscht für immer.

Und wie bewertet der Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag diese schrecklichste aller Zeiten? Als „Vogelschiss“! Hitler und die Nazis seien nur ein Vogelschiss in tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte. Welch ein Zynismus, welch ein Hohn! Welch ein Schlag ins Gesicht der Opfer und ihrer Hinterbliebenen! Was würden die Millionen gefolterten, erschlagenen, vergasten, verbrannten, verhungerten, erschossenen, ertrunkenen, zerfetzten  Menschen aus ihren über die ganze Welt verstreuten Gräbern diesem feinen Herrn Gauland wohl entgegen schreien, wenn sie es denn könnten?

Als Geschichtsstudent habe ich noch Jüdinnen und Juden, sozialdemokratische und kommunistische Widerstandskämpfer zusammen mit Schülerinnen und Schülern befragen können. Das waren intensive Momente, die niemanden kalt ließen. Schon bald wird es keine Zeitzeuginnen und Zeitzeugen mehr geben.

Umso wichtiger ist es, dass wir wachsam sind. Dass wir nicht zulassen, dass einer relativiert. Das einer so tut, als sei das, was in der Nazi-Zeit an Verbrechen begangen wurde, so einfach mal eben in den Lauf der Geschichte einzubinden; quasi ein Unfall, ein Versehen. So als könnten Karl der Große und Goethe gegen Adolf Nazi aufgewogen werden. Nur mal das ganz große Rad der Geschichte drehen, dann sieht man den brauen Fleck auf der weißen Weste nicht mehr.

Das ist die Strategie. Das ist der Vorgeschmack auf die 180-Grad-Wende, die der thüringische AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke forderte.

Da ist nichts bürgerliches:

  • Wer eine mehrfach demokratisch gewählte Kanzlerin „jagen“ will, ist kein guter Bürger.
  • Wer eine Staatsministerin nach „Anatolien entsorgen“ will, ist kein guter Bürger.
  • Wer Gestus, Mimik und Sprache von NS-Verbrechern nachmacht, ist kein guter Bürger.

Purer dumpfer Rassismus, verbunden mit Weltmachtsphantasien, ein Volk, das verführt wurde und sich hat verführen lassen. Unbeschreibliches Leid ging von deutschem Boden aus. Das darf uns nie, nie wieder passieren!

Wir müssen zusammenstehen gegen die braune Brut von gestern und von heute, selbst wenn sie sich blau anmalt.

Wir sind mehr!

Bodo Wißen